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Castor-Protest ohne Zukunft? Zweite Vorsitzende der BI (38) tritt zurück
280 Menschen demonstrieren gegen Castortransporte. Doch die zweite Vorsitzende der BI,Janna Dujesiefken, resigniert und tritt zurück: Ihre Begründung lässt tief blicken.
Dritter Advent. Sonntagsspaziergang gegen Castortransporte aus Jülich nach Ahaus. Wie üblich weht ein schneidend-kalter Wind vor dem Brennelementezwischenlager. Wenigstens ist es trocken. Die Kreuzung an der Schöppinger Straße füllt sich mit Demonstranten und Fahnen. Es sind mehr Atommüllgegner als üblich. Und mehr als erwartet. 280 wird die Polizei später in einer Mitteilung als offizielle Teilnehmerzahl bestätigen. 200 waren angekündigt. Die Lage bleibt friedlich. Die zahlreichen Polizisten, die die Demo absichern, bekommen nichts zu tun. Auch das war zu erwarten.
Eine neue Sachlage zu den 152 Castorbehältern, die nach Ahaus transportiert werden sollen, gibt es nicht. Neue Argumente dagegen auch nicht. Matthias Eickhoff von der Initiative Sofortiger Atomausstieg (Sofa) aus Münster spricht als erster: Nur den Protesten sei zu verdanken, dass die nicht schon lange in Ahaus stehen. „Wir freuen uns, dass so viele wieder auf der Straße sind“, sagt er. Und selbst wenn der erste Castortransport rollen sollte, gehe der Protest weiter. „Wir werden auf der Straße bleiben“, sagt er. Das sei auch 2005 bei den Castortransporten so gewesen: Bei den Demos vorab seien es 150 Teilnehmer gewesen, dann mit dem ersten Transport hätten 650 demonstriert. Später seien tausende Atomkraftgegner vor Ort gewesen. „Lassen Sie sich nicht einreden, dass der Drops schon gelutscht ist“, ruft er unter dem Applaus den Teilnehmern zu.
Er freut sich, dass auch Bürgermeisterin Karola Voß an diesem Tag spreche. Das sei ja bei vorherigen Bürgermeistern anders gewesen. Nach über zehn Jahren im Amt ist das für Karola Voß nichts Neues mehr. Und doch ist es für sie immer noch so: „Es ist für mich schwierig, die richtige Position zu finden“, sagt sie. Es gebe die rechtliche Seite. Ahaus hat den Rechtsstreit gegen die Castoren verloren. „Die Fragen zum Atommüll sind aber immer auch politisch gewesen“, betont sie. Sie wünsche sich mehr Debatte um die Zwischenlagerung. Hofft auf mehr Vertrauen, das in den vergangenen Jahrzehnten verloren gegangen ist. Und darauf, dass schnell ein Endlager gefunden ist. Aber: „Ich kann und will auch nichts versprechen, was ich dann nicht halten kann“, sagt sie. Klar sei, dass die Stadt ein waches Auge auf die Zwischenlagerung halten müsse.
Widerstandsjahr 2026 ausgerufen
Janna Dujesiefken spricht für die BI in Ahaus. Ihr kämen die vergangenen Wochen und Monate vor wie Stadien bei der Trauerbewältigung: Nach Resignation und Trauer sei sie inzwischen bei Wut angekommen. Und aus Wut werde neue Energie und neuer Tatendrang.„Ich will dieses Transporte nicht“, ruft sie der johlenden Menge zu. Und das müssten alle laut sagen. „Wir müssen mehr werden. Wir müssen laut sein. Wir müssen viele sein“, sagt sie. Und ruft ein Widerstandsjahr 2026 aus.Was weder sie noch sonst jemand an diesem Tag offen sagt: Janna Dujesiefken spricht zwar für die BI ins Mikrofon, ihr Amt als zweite Vorsitzende hat sie niedergelegt. Dazu hatte sie sich erst Anfang 2025 wählen lassen. Sie wollte den Protest der Bürgerinitiative in eine neue Generation tragen, wollte eine breite Masse ansprechen, neue Mitglieder in die Reihen der Demonstranten ziehen.Ihr Versuch endet nach nicht einmal acht Monaten. „Es sind ein paar Neue dazugekommen, aber es ist einfach zu wenig“, sagt sie im Gespräch mit unserer Redaktion. Sie sehe keine Basis, um die BI weiter zu führen.Insgesamt sei das Thema zu wenig in den Köpfen der Menschen präsent. „Es funktioniert nicht“, sagt sie. Die letzten Castoren seien vor 20 Jahren nach Ahaus gerollt. „Heute geht es in der öffentlichen Wahrnehmung um andere Themen“, erklärt sie. Spätestens mit dem Ausstieg aus der Kernenergie sei das Thema kaum vermittelbar. Sie selbst will sich zukünftig in einem größeren Radius engagieren – und weiter gegen Castortransporte kämpfen. Vielleicht über den BUND, vielleicht mit anderen Organisationen landes- oder bundesweit.
Trotz allem blicke sie positiv auf das vergangene Jahr: „Weil ich persönlich für mich viel gelernt habe“, erklärt sie. Und weil sie sagen könne, dass sie alles versucht habe. „Es ist einfach schade, dass das Thema hier vor Ort viele nicht auf dem Schirm haben“, macht sie deutlich.Wachsames Auge auf das BZAFür sie steht fest, dass weitere Castortransporte nach Ahaus kommen werden. Auch über die aus Jülich und Garching hinaus. Oder das es zumindest versucht werde. „Wir müssen und werden darauf ein wachsames Auge haben müssen“, macht sie deutlich.Burkhard Helling, verbliebener Vorsitzender der BI, klingt bei all seiner ihm eigenen Fröhlichkeit am Sonntag auch ein Stück weit verbittert. Ja, es seien mehr Demonstranten als bei anderen Sonntagsspaziergängen. Ja, mit der Teilnehmerzahl sei er eigentlich sehr zufrieden.„Aber wo sind die anderen?“, fragt er. Allein Ahaus habe über 40.000 Einwohner. „Ich kann nicht verstehen, dass die Menschen in Ahaus nicht reagieren und sich nicht querstellen“, sagt er.
Genau genommen findet er an diesem zugigen Nachmittag vor den Toren des Zwischenlagers noch sehr viel drastischere Worte. Die will er aber so nicht unbedingt veröffentlicht wissen.Dabei ist er sich sicher, dass viele Menschen in und um Ahaus die Positionen der BI und den Protest gegen die Castortransporte unterstützen. Nur würden sie das eben nicht öffentlich tun. „Protest lebt von aktiver Beteiligung, nicht von stiller Zustimmung“, hatte Janna Dujesiefken am Morgen in sozialen Medien verbreitet.
Wie es mit der Arbeit in der BI weiter geht, mag Helling an diesem Tag noch nicht abschätzen. Janna Dujesiefkens Rücktritt kann er nachvollziehen. Trotz allem sei es eine Trennung im Guten. Klar ist, dass im März 2026 die Mitgliederversammlung Nachfolger an die Spitze wählen muss. Auch für ihn.„Ich bin ja damals nur als Doppelspitze mit angetreten, um den Übergang auf eine neue Generation zu ermöglichen“, sagt er. Mit 73 habe er schlicht nicht mehr die Kraft für den Vorstand. „Ich habe jahrelang meine Freizeit dafür geopfert“, sagt er. Es gehe schlicht nicht mehr. (MLZ)







